Wild thing, you make my heart sing

Tagtäglich dürfen wir feine Drucksachen im Auftrag von Kreativ-Unternehmen herstellen und bekommen dazu digitale Druckvorlagen fertig vom Kunden geliefert. Gelegentlich nutzen Auftraggeber aber auch unsere Möglichkeiten in Sachen Design, Illustration und Typografie aktiv zu werden; geradezu perfekt passte kürzlich das Briefing der Marketingleitung von Römerturm: Wild heißt das neue Feinstpapier mit der betont natürlichen, sehr haptischen Oberfläche. Und wirklich wild wurde dann auch der Entwurf von Dirk Uhlenbrock. Nachdem die braveren Konzepte aus dem Rennen waren, entschied Römerturm sich für die unten zu sehende Idee. Was kann schöner sein für Feinstpapier-Nerds?


Ebenfalls ganz und gar nicht brav: Die drucktechnische Umsetzung. Offset musste sein, Letterpress sowieso, Heißfolienprägung für die Akzente (machen wir jetzt auch in A3+) und dann noch eine filigrane Stanzform – so wollte es der Createur. Beim Offsetdrucker piepste angesichts des extrem volumigen Wild in 450 g/qm der Bedruckstoffstärkensensor der für dicke Kartons ausgerüsteten Speedmaster 72. Unsere schnaufenden Alt-Ungeheuer hatten dagegen freilich wenig Mühe mit dem üppigen Gut. So wuchsen auf den Paletten die Stapel mit Mailing-Karten, Plakaten und Bierdeckel (ja Bierdeckel, nicht Getränkeuntersetzer). Der Job hat einen Heidenspaß gemacht – es ist fast schon schade, dass die Sachen jetzt wieder beim Kunden sind.



AB 2014 MIT RAKETENANTRIEB

Als erste Postsendung des frischen Jahres haben wir fünfhundert „Letterpress-Bretter“ mit  Neujahrsgrüßen auf den Weg gebracht. Dirk Uhlenbrock entwarf eine Rakete mit klar definierter Mission: Sie möge die Vorzüge bestimmter Stilmittel hinaus in die Welt tragen (Liniengrafik, Blinddruck, üppige Papierstärke, Farbschnitt, …) und außerdem unseren Ehrgeiz visualisieren, den wir auch aus dem Erfolgsjahr 2013 schöpfen. Wir sind nun zu sechst statt zu dritt, die Werkstattfläche konnten wir (ohne umzuziehen) verdoppeln, ebenso die Anzahl tonnenschwerer Apparaturen. Und der Vorsprung durch 60er-Jahre-Technik geht weiter – aber das steht dann in einem separaten prägedruck.org-Beitrag.


Lift-Off – aber nur mit 1,45er Porto.

„Die mit der Goldkante“ Der unbescheidene Farbschnitt profitiert vom großzügigen 1.200 g/qm-Flächengewicht

Dank der klugen „Farbenpolitik“ der Büttenpapierfabrik Gmund konnten wir zur Cotton-Karte farblich passende Briefhüllen aus 250 g/qm-Papier fertigen. Da die Idee mit dem Sonderformat einen Tag vor Weihnachten entstand, war ein Stanzwerkzeug nach Maß vom Dienstleister leider nicht mehr zu bekommen … wie gut, dass unser Nachbar eine Tischlerwerkstatt betreibt, was beim Selbermach-Werkzeugbau enorm hilfreich ist!

Letterpress zum Schnuppern

Wie schaut das aus, wenn man gelben gegen grauen Karton kaschiert? Wie gut wirkt Letterpress auf Holzpappe und was kann man mit groben Druckrastern so anstellen? Um erkenntnisfördernde Letterpress-Warenproben besser zugänglich zu machen, haben wir begonnen eigene Musterkarten zu drucken.

Viele Druckereien gehen bei der Leistungsschau in eigener Sache den Weg, auf ziemlich schaurige Weise alles an glänzenden und künstlich wirkenden Veredelungen in banal und überfrachtet gestaltete Broschüren zu klatschen, um visuell Sensible nachhaltig zu vergrämen. Nicht selten werden Chilischoten und Chamäleons abgebildet, fast nie wird man von Duftlacken und Glitzereffekten verschont.

Als blutdrucksenkender Gegensatz ist unsere technische Limitierung namens Buchdruck (= Letterpress) dank des gebotenen Minimalismus eine gepflegte Bühne für Typografie, Papier und einen reifen grafischen Stil. Die neuen Letterjazz-Musterkarten sollen künftig dem Betrachter in erster Linie Freude machen und nebenbei über Papier und Gestalter informieren. Zwar sind erst ein halbes Duzend Motive fertig, aber eine Verpackung gibt es natürlich schon:

Gegen Schutzgebühr werden die Packs im Schokoladentafel-Format demnächst den Nachfragenden überreicht.
Musterkarte Nr. 1, gedruckt auf Gmund Cotton Shiny cream 610 g/qm. Weitere sehr bald in diesem Blog.

Licht und Magie in der Druckwerkstatt

Schon bald wird ein kostbares Destillat in Form von frisch produziertem Bewegtbild-Content unsere Letterpress-Arbeit in warmen Farben veranschaulichen. Natürlich lassen wir selbst die Finger von der Herstellung solcher feinen Filmbonbons, denn es gibt ja Vollprofis – dazu später mehr auf diesem Sender.

Für zweiundachtzig Sekunden Qualitätsbilder wurde an drei Tagen in unserer Essener Feinprägeanstalt Letterjazz und an einer zweiten, sehr beeindruckenden Location gedreht, was aber keineswegs den Gesamtzeitaufwand beschreibt.

Einige Kilowatt an Filmleuchten haben eine Früh-Morgens-Stimmung in die Arbeitsstätte gebracht. Gefilmt wird digital und in Kinoqualität.

Nicht wenige Apparaturen und Koffer muss man schleppen, wenn man gute Bilder produzieren möchte.

Am ersten Drehtag wurde der Jazz-Bestandteil des kleinen Films an einer zweiten Location eingefangen. Ein strenger Drehplan sorgte für die nötige Pünktlichkeit, denn wir hatten den spektakulären Raum mit den zehn Meter hohen Decken für einen halben Tag gemietet.

 

Letterpress ist Umweltfreund’s Liebling

Ressourcen schonen und umweltbewusst handeln ist allgemein en vogue, mindestens bekennt man sich gerne verbal dazu. Auch vertrieblich-aktive Reisende des Papiergewerbes sparen seit einigen Jahren nicht mit Hinweisen auf Umweltzertifizierungen – wohl dem, der dabei ganz ohne Augenrollen über die Runden kommt.

Dankbar dafür, dass wir trotz kauziger Kommentare weiterhin vom Papier-Außendienst besucht werden, verkneife ich mir immer seltener diverse Plädoyers für den wohldosierten, qualitätsorientierten Einsatz von Papier, allerdings scheint sich das ohnehin ganz von allein so zu ergeben: Trendforscher Peter Wippermann äußert im Newsletter des Kölner V8-Verlags: „Das gewöhnliche Papier wird an Wert verlieren, während es am Luxusmarkt an Wert gewinnt. Der Markt verschiebt sich.“

Wer sich für eine sehr hochwertige Drucksache entscheidet, der überlegt sich genau, wie viel er bestellt und was er kommunizieren möchte. Die Qualitätstechnik Letterpress „erzieht“ also zu Ressourcen schonender Effizienz. Ihr Output sind schöne Dinge, die man nicht wegwirft. Denkfaul im Internet eine Millionen vierfarbige Flyer für Neunundzwanzig-Neunzig zu ordern und „breit zu streuen“ wäre das Gegenmodell.

Aber nicht nur das sehr bewusst dosierte drucken lassen ist per se umweltfreundlich, sondern erstaunlicherweise auch Letterpress an sich – und das als Oldtimer unter den Druckverfahren. Beispiel Druckfarbe: Für, sagen wir 1.000 Visitenkarten, mische ich 50 Gramm einer bestimmten Pantone-Farbe an, womit man viel mehr als genug zum Arbeiten hat. Wer weiß, ob exakt diese Farbe in den nächsten Jahren wieder gebraucht wird? In der Druckindustrie würde man eine satte Kilodose bestellen, um dann ordentlich Farbe in den Farbkasten zu spachteln. Erst dann läuft die Offsetmaschine brav und den Rest kann man ja einlagern …

Kleine, feine Letterpress-Printprojekte: PMS-Farben geraten nicht kiloweise im Lager in Vergessenheit, sondern werden gezielt angemischt.

Ein paar Hundert zauberhafte Briefhüllen (in diesem Fall übrigens besonders umweltschonend hergestellt) sind per Letterpress mit weniger als 50 Gramm Druckfarbe machbar.

Kaum Ausschuss: Während beim industriellen Drucken viel mehr Material durch den Prozess gejagt wird, um das erste gute Exemplar zu erhalten, sind Stand und Farbe bei Letterpress-Projekten mit wenig Makulatur-Müll eingestellt.

Darum ergänze ich die Phrase „Wir drucken umweltfreundlich“ mit: „dank Technik von vorgestern“.