Mehr Platz für Spielsachen

Weder Schreibblockaden noch Faulheit verhindern hier wortreiche Beiträge. Vielmehr handwerkliche und logistisch schweißtreibende Maßnahmen bilden schwarze Löcher, die allerhand Zeit, Tüchtigkeit und Rohertrag vertilgen.

Das freundliche Druck-Atelier hat einige Quadratmeter und 400-V-Steckdosen vom Nachbarbetrieb übernommen. So müssen diverse Gerätschaften jetzt kein Nomadenleben auf Rollen mehr führen, sondern dürfen an einem festen Platz Dienst tun; zwei ergänzende Pressen machen die technische Letterpress-Wundertüte noch ein wenig bunter und eine frische (leider moderne) Schneidtechnik löst die frühere Maschine ab, die mit allerlei Hebern, Kniffen und Hydraulik auf eine Palette gehievt wurde.

Während die A4-Tiegel brav am Schlupf hängen, tritt beim großen knapp drei Tonnen schweren A3-Bruder (nicht im Bild) alt-ägyptische Rolltechnik in Aktion

Da klopft das Herz, wenn frische Spielsachen vorfahren!

Nur Papier

Eine Momentaufnahme

Mit der Briefpost kam am Mittag eine pralle Versandtasche mit einer Beschriftung und Frankierung aus einem fernen Land. Solche Sendungen sind wie eine Wundertüte, jedes mal spannend. Es waren DIN-A4 große Musterblätter von verschiedenen japanischen Takeo-Kartons in herrlichen Farbtönen und opulenten Materialstärken. Ich öffnete den Umschlag, jemand hinter mit stolperte über ein Kabel und stütze sich an mir ab, um nicht zu fallen. Da glitten mir die A4-Muster aus den Händen und fielen auf den schmutzigen Werkstattboden. In Zeitlupe. Blitzartig erreichte mich dieses leicht panische Gefühl – als wäre ein frisch ausgepacktes Mac-Laptop zu Boden gestürzt. Beim Zusammenklauben der Bögen und Aufheben vom Boden wurde mir klar, dass hier nicht viele hundert Euro an Materialwert runtergefallen waren. Es war nur Papier, aber meine Reaktion mache mich nachdenklich. Mit Papier aufmerksam und wertschätzend umzugehen fühlt sich irgendwie richtig an. Man ist sparsam und gebraucht es bewusst. Hochwertiges Papier ergibt also von sich aus Sinn. Niemals wieder möchte ich mit geringwertigem Massenpapier arbeiten.

 

Licht und Magie in der Druckwerkstatt

Schon bald wird ein kostbares Destillat in Form von frisch produziertem Bewegtbild-Content unsere Letterpress-Arbeit in warmen Farben veranschaulichen. Natürlich lassen wir selbst die Finger von der Herstellung solcher feinen Filmbonbons, denn es gibt ja Vollprofis – dazu später mehr auf diesem Sender.

Für zweiundachtzig Sekunden Qualitätsbilder wurde an drei Tagen in unserer Essener Feinprägeanstalt Letterjazz und an einer zweiten, sehr beeindruckenden Location gedreht, was aber keineswegs den Gesamtzeitaufwand beschreibt.

Einige Kilowatt an Filmleuchten haben eine Früh-Morgens-Stimmung in die Arbeitsstätte gebracht. Gefilmt wird digital und in Kinoqualität.

Nicht wenige Apparaturen und Koffer muss man schleppen, wenn man gute Bilder produzieren möchte.

Am ersten Drehtag wurde der Jazz-Bestandteil des kleinen Films an einer zweiten Location eingefangen. Ein strenger Drehplan sorgte für die nötige Pünktlichkeit, denn wir hatten den spektakulären Raum mit den zehn Meter hohen Decken für einen halben Tag gemietet.

 

Duplex für Dich!

Will man eine vollflächige Farbenpracht zu Papier bringen, so lehnt man sich bequem zurück und lässt die Druckerei rasch eine formatfüllende Fläche drucken. Jedoch: Warum das Übliche bestellen, wenn man stattdessen auch das Noble, das Feine, das Bessere haben kann? Einzig Unkenntnis und monetäre Zwänge lasse ich als Ausrede gelten. Denn den Vorzügen kann sich kaum jemand entziehen:

Mittels zweier Maschinen, Kaschierleim und diverser Hilfsmittel verbinden wir farbiges Feinstpapier (am liebsten ab 200g/qm aufwärts) zu zweifarbigen Leckerchen (Papierkenner sagen „Duplex“). So werden Visitenkarten, Einladungen, Mappen, etc. nicht nur durch die graphische Form, sondern auch durch ihre neu geschaffene Materialität zu einzigartigen Produkten.

Frisch aus der Maschine kommen unsere Duplex-Musterkarten. Ein gutes Dutzend verschiedener Designpapiere vom Gmund wurden von fleißigen Händen geduplext; bei der Arbeit mit solchen vielfältigen und haptisch attraktiven Feinstpapierqualitäten fragt man sich, warum man Papier nicht viel intensiver und kreativer in Entwurfsprozesse einbezieht.

Identische Papiere oder gar drei Schichten miteinander zu verbinden kann je nach Projekt und Budget ebenfalls eine reizvolle Idee sein.

Zwei Farben aus der Kollektion Bier-Papier beweisen es: Pils und Bock passen zusammen. Zum Wohl!

Letterpress ist Umweltfreund’s Liebling

Ressourcen schonen und umweltbewusst handeln ist allgemein en vogue, mindestens bekennt man sich gerne verbal dazu. Auch vertrieblich-aktive Reisende des Papiergewerbes sparen seit einigen Jahren nicht mit Hinweisen auf Umweltzertifizierungen – wohl dem, der dabei ganz ohne Augenrollen über die Runden kommt.

Dankbar dafür, dass wir trotz kauziger Kommentare weiterhin vom Papier-Außendienst besucht werden, verkneife ich mir immer seltener diverse Plädoyers für den wohldosierten, qualitätsorientierten Einsatz von Papier, allerdings scheint sich das ohnehin ganz von allein so zu ergeben: Trendforscher Peter Wippermann äußert im Newsletter des Kölner V8-Verlags: „Das gewöhnliche Papier wird an Wert verlieren, während es am Luxusmarkt an Wert gewinnt. Der Markt verschiebt sich.“

Wer sich für eine sehr hochwertige Drucksache entscheidet, der überlegt sich genau, wie viel er bestellt und was er kommunizieren möchte. Die Qualitätstechnik Letterpress „erzieht“ also zu Ressourcen schonender Effizienz. Ihr Output sind schöne Dinge, die man nicht wegwirft. Denkfaul im Internet eine Millionen vierfarbige Flyer für Neunundzwanzig-Neunzig zu ordern und „breit zu streuen“ wäre das Gegenmodell.

Aber nicht nur das sehr bewusst dosierte drucken lassen ist per se umweltfreundlich, sondern erstaunlicherweise auch Letterpress an sich – und das als Oldtimer unter den Druckverfahren. Beispiel Druckfarbe: Für, sagen wir 1.000 Visitenkarten, mische ich 50 Gramm einer bestimmten Pantone-Farbe an, womit man viel mehr als genug zum Arbeiten hat. Wer weiß, ob exakt diese Farbe in den nächsten Jahren wieder gebraucht wird? In der Druckindustrie würde man eine satte Kilodose bestellen, um dann ordentlich Farbe in den Farbkasten zu spachteln. Erst dann läuft die Offsetmaschine brav und den Rest kann man ja einlagern …

Kleine, feine Letterpress-Printprojekte: PMS-Farben geraten nicht kiloweise im Lager in Vergessenheit, sondern werden gezielt angemischt.

Ein paar Hundert zauberhafte Briefhüllen (in diesem Fall übrigens besonders umweltschonend hergestellt) sind per Letterpress mit weniger als 50 Gramm Druckfarbe machbar.

Kaum Ausschuss: Während beim industriellen Drucken viel mehr Material durch den Prozess gejagt wird, um das erste gute Exemplar zu erhalten, sind Stand und Farbe bei Letterpress-Projekten mit wenig Makulatur-Müll eingestellt.

Darum ergänze ich die Phrase „Wir drucken umweltfreundlich“ mit: „dank Technik von vorgestern“.

Letterpress-Geschäftskarten für Maniacs

Immer wieder staune ich, welchen hohen Stellenwert die gute alte Visitenkarte selbst bei IT- und Web-Profis hat. Letterpress ist dabei die First Class, aber manche Reisende wünschen sich in der ersten Klasse zusätzlich noch den Reiz der außergewöhnlichen Individualisierung. Der Dresdner Softwareunternehmer Florian Braunschweig konfrontierte Letterjazz mit einer reizvollen Anfrage, über deren Realisierung ich einen Moment lang nachdenken musste, bis die richtige Umsetzungsstrategie klar war. Aber der Aufwand lohnte sich, denn das Design von Peter Hofacker machte wirklich Lust auf das Projekt.

Zunächst wurden die farbig-flächigen Design-Elemente beim Offset-Partnerbetrieb auf Baumwollkarton gedruckt; schön smooth sollte das Erscheinungsbild sein.

Offsetdruck
Mit der vierten Farbe – für die Typografie unten – kam dann Letterpress ins Spiel.Letterpress-Visitenkarte maniaclabs by LetterjazzAnschließend wurden die Offset-gedruckten Elemente passgenau blind überdruckt und in der gleichen Form noch eine Fläche als zusätzliches 3-D-Designelement eingeprägt …Letterpress-Visitenkarte maniaclabs by LetterjazzEin separater Bogen (roter Feinstkarton) erhielt noch die Bildmarke per Letterpress in reinem Pantone Transparent White – die Papierfarbe wird so dezent abgetönt.Duplexkarton: ja – aber bitte nicht von der Stange; nach dem Drucken kaschieren fleißige Hände beide Teile passgenau zusammen (Bild: Beleimen des Bogens). Papierfarbe und rote Druckfarbe (Frontseite) wurden natürlich aufeinander abgestimmt.Letterjazz – Bogen beleimen und kaschieren Im Ergebnis erhält man Prachtstücke mit 600 g/qm Flächengewicht.maniaclabs VisitenkartenDer Gesprächspartner, der am Ende so ein Exemplar bekommt, dürfte sich geehrt fühlen.Letterpress-Visitenkarte maniaclabs by Letterjazz

Klein, aber Day-Glo

Letterpress-Visitenkarten machen Spaß. Besonders, wenn Sie klein und frech sind und auf das übliche Diplom, Telefon, Fax et cetera verzichten. Webentwickler Andreas Dölling war einverstanden, dass wir etwas Quellcode in seine Geschäftskärtchen einfügen; auf Druckfarbe wurde dabei gänzlich verzichtet. Der „Content“ dagegen tut es Rettungswagen gleich und buhlt farblich um Aufmerksamkeit, was sich fotografisch jedoch hier kaum darstellen lässt.

Die Pantone-Day-Glo-Druckfarbe ist Schuld daran. Dose aufhebeln, Farbe einlaufen lassen, drucken und staunen. Auch andere Leucht-Farbtöne stehen zur Verfügung, man findet sie ganz hinten im Farbfächer.

Selbst Tests auf meinem braunen 1-mm-Lieblingskarton ließ die eigentlich lasierende Farbe nicht optisch absuppen. Auf die Day-Glo-Erleuchtung weiterer Projekte freue ich mich schon …

Flammneue Reifen

Wer Benzin im Blut hat, hüpft sich angesichts neuer Reifen vor Freude Beulen an den Kopf. Ist man von Beruf Drucker, kennt man ähnliches Glück beim Auspacken frisch bezogener Farbauftragswalzen. Was die Investition angeht, stehen die Walzen den Pneus in nichts nach, zumal die große Korrex „Berlin“ (im Bild) nicht gerade mit Miniaturwalzen bestückt ist.

Das Beziehen übernehmen Dienstleister, die zunächst das alte (meist rissige und hart gewordene) Gummi bis auf die Spindel abdrehen, dann neu gießen und wieder bis auf das bestellte Maß abdrehen. Da sich die meisten dieser Spezialisten eher nur mit Offsetdruck-Maschinen auskennen, muss man die für Buchdruckmaschinen/Letterpress optimale Härte (Shore-Wert) angeben.

Jetzt wird justiert, damit die 1962er Korrex die Druckform wieder pico bello und präzise einfärbt. Gut, dass der Sonntag im Ruhrgebiet verregnet ist …

Farbauftragswalzen Korrex »Berlin«

Fertig: Das Atelier namens Werkstatt

Die Werkstatt in der Otmarstraße war zu klein geworden, also hieß es: konsequent sein. umziehen. Victoria-Tiegel und Krause-Schneidemaschine kamen natürlich mit.  Neu dazu gesellen sich jetzt ein Heidelberger Tiegel im Traumzustand und eine große Korrex für Plakate und Co.

Endlich sind auch Farbeimer und Pinsel weggeräumt; jajaja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt!

Letterjazz-WerkstattLetterjazz-Office