VOM WACHKÜSSEN BETAGTER FEATURES

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So wie hier, im Falle unserer Promo-Karte, stanzen wir häufig Konturen aus Papier aus, oder setzen an bestimmten Stellen eine Rille, um den Karton sauber faltbar zu machen. Vielen Besuchern unserer unzeitgemäßen Produktion ist es neu, dass auf den betagten Maschinen nicht bloß gedruckt und geprägt wird. Wenn wir den Walzen zum Auftragen der Druckfarbe mal eine Pause gönnen, kommen flugs allerhand althergebrachter Metallwaren ins Spiel: Bandstahl-Stanzlinien, Linien zum Rillen von Karton samt Rillkanal als Gegenform, Perforierungen, Konturstanzformen, Lochpfeiffen und die Kombination all dieser Dinge. Die Tiegeldruck- oder Schnellpresse, die zuvor Papier mittels Druckform und Farbe bedruckt hat, kann jetzt also Papierbogen exakt definiert gegen Stanzformen pressen. Eine Galaxie an Möglichkeiten eröffnet sich!

Bedauerlich wäre es, würde man solcherlei Wunderapparate tagtäglich mit immergleichen Arbeiten füttern, wo sie doch Vielfältiges zu leisten vermögen. Zum Glück gehören zum Letterjazz-Freundeskreis zwei Personen mit sachdienlichen Fähigkeiten: Dirk Uhlenbrock und zum anderen Peter Dahmen (siehe weiter unten).

Dirk Uhlenbrock, weit über das Ruhrgebiet hinaus für seine grafische Schaffenskraft bekannt, verdingt sich zu unserem erheblichen Vorteil schwerpunktmäßig in Illustration, Schriftgestaltung und Lettering. Seit Jahren tut er dies auch immer dann, wenn es um den Auftritt unseres Print-Studios geht und gedruckte Aufmerksamkeiten zur Arbeit anstehen. Seine charakteristische Handschrift ist mit dem Letterjazz-Erscheinungsbild inzwischen fest verbunden. Mit den Details seiner Skills geht er seit jeher großzügig um, so leitet er Workshops und hält Vorträge zu Illustration, Lettering und Co.

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Unser gemeinsames Vorstellungsbild der Printstudio-Außenansicht samt Bulli hat Dirk mittels Strichen und Flächen im Uhlenbrockschen Duktus in Form gebracht. Gemeinsam haben wir die Gmund-Colors-Papierfarben abgestimmt. Weil Letterpress per se eine Einfarbtechnik ist, bedeuten Motive mit mehreren Farben auch zwangsläufig erheblich mehr Aufwand. Darum haben wir eine zwar großzügige, aber halbwegs beherrschbare Auswahl an Druckfarben definiert. Es ergaben sich fünf Arbeitsgänge mit fünf Druckfarben und drei Stanz-/Rill-Teile, dadurch abermals drei Durchgänge mit drei separaten Stanzwerkzeugen / separate Papierfarben.

Peter Dahmen ist ebenfalls Grafik-Designer, allerdings läuft es bei ihm stets unweigerlich darauf hinaus, dass aus zweidimensionalen Papierbogen verblüffende Objekte werden. Peter erfindet Popup-Karten und Klappbares aus Papier und Karton. Seine Arbeiten haben neben ästhetischen Reizen und dem typischen Wow-Effekt aus meiner Sicht vor allem Perfektionswert, denn was er entwickelt, funktioniert einfach. Und das ist alles andere als trivial. Inzwischen hat Peter weltweit Kunden und eine sechsstellige Zahl papierbegeisterter facebook-Follower.

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Ich musste Peter nicht lange überreden aus Dirks hocherfreulicher Illu eine „pico bello“ Popup-Konstruktion für Letterjazz zu zaubern, obwohl er, wie üblich knietief in Kundenprojekten steckte. In seiner typischen, verbindlichen Art sendete er mir rasch konstruktive Gestaltungsvorschläge – nicht ohne mich auf den Arbeits-Prozess aufmerksam zu machen, dessen Einzelschritte und Reihenfolge unbedingt einzuhalten sind. Denn Peter kennt die üblichen Stolpersteine und weiß zeitraubende Irrwege zu vermeiden. Das Letterjazz-Popup haben wir bewusst überschaubar gehalten, so konnte nach der Feinabstimmung zwischen Dirk und Peter auch gleich Papier bestellt und gedruckt werden. Beeindruckt hat mich Peter dann noch mit einer sehr klar gestalteten Anleitung, die zeigt, wie wir die Einzelteile korrekt zu falten und zu verkleben haben.

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Der bei Popups unerhörte manuelle Arbeitsaufwand, der stets nach dem Drucken und Stanzen folgt, hat uns von noch wilderen Ideen abgehalten – dennoch erhielten wir in dem Contest Bester Naturpapierdrucker eine Auszeichnung des Papierunternehmens Gmund. Fleißige Letterjazzer haben schließlich 2.000 Exemplare angefertigt, so dass ab sofort in unserem Musterpack für eine ganze Weile auch eine Popupkarte enthalten ist.

AB 2014 MIT RAKETENANTRIEB

Als erste Postsendung des frischen Jahres haben wir fünfhundert „Letterpress-Bretter“ mit  Neujahrsgrüßen auf den Weg gebracht. Dirk Uhlenbrock entwarf eine Rakete mit klar definierter Mission: Sie möge die Vorzüge bestimmter Stilmittel hinaus in die Welt tragen (Liniengrafik, Blinddruck, üppige Papierstärke, Farbschnitt, …) und außerdem unseren Ehrgeiz visualisieren, den wir auch aus dem Erfolgsjahr 2013 schöpfen. Wir sind nun zu sechst statt zu dritt, die Werkstattfläche konnten wir (ohne umzuziehen) verdoppeln, ebenso die Anzahl tonnenschwerer Apparaturen. Und der Vorsprung durch 60er-Jahre-Technik geht weiter – aber das steht dann in einem separaten prägedruck.org-Beitrag.


Lift-Off – aber nur mit 1,45er Porto.

„Die mit der Goldkante“ Der unbescheidene Farbschnitt profitiert vom großzügigen 1.200 g/qm-Flächengewicht

Dank der klugen „Farbenpolitik“ der Büttenpapierfabrik Gmund konnten wir zur Cotton-Karte farblich passende Briefhüllen aus 250 g/qm-Papier fertigen. Da die Idee mit dem Sonderformat einen Tag vor Weihnachten entstand, war ein Stanzwerkzeug nach Maß vom Dienstleister leider nicht mehr zu bekommen … wie gut, dass unser Nachbar eine Tischlerwerkstatt betreibt, was beim Selbermach-Werkzeugbau enorm hilfreich ist!

Nur Papier

Eine Momentaufnahme

Mit der Briefpost kam am Mittag eine pralle Versandtasche mit einer Beschriftung und Frankierung aus einem fernen Land. Solche Sendungen sind wie eine Wundertüte, jedes mal spannend. Es waren DIN-A4 große Musterblätter von verschiedenen japanischen Takeo-Kartons in herrlichen Farbtönen und opulenten Materialstärken. Ich öffnete den Umschlag, jemand hinter mit stolperte über ein Kabel und stütze sich an mir ab, um nicht zu fallen. Da glitten mir die A4-Muster aus den Händen und fielen auf den schmutzigen Werkstattboden. In Zeitlupe. Blitzartig erreichte mich dieses leicht panische Gefühl – als wäre ein frisch ausgepacktes Mac-Laptop zu Boden gestürzt. Beim Zusammenklauben der Bögen und Aufheben vom Boden wurde mir klar, dass hier nicht viele hundert Euro an Materialwert runtergefallen waren. Es war nur Papier, aber meine Reaktion mache mich nachdenklich. Mit Papier aufmerksam und wertschätzend umzugehen fühlt sich irgendwie richtig an. Man ist sparsam und gebraucht es bewusst. Hochwertiges Papier ergibt also von sich aus Sinn. Niemals wieder möchte ich mit geringwertigem Massenpapier arbeiten.

 

fühl mal: Kontrast!

Glattes Papier, vierfarbiger Druck, makellose Anmutung – vor 25 Jahren waren das Merkmale von besonders hochwertigen Drucksachen. In der Zwischenzeit erreichten die klügsten Unternehmer der Industrie, dass solche Druckerzeugnisse zu Billigwaren wurden. Man bekommt sie allerorts für Erdnüsse, selbstverständlich vierfarbig plus Lack und gerne in verschwenderischen Mengen.

Erfreulicherweise teilt die Mehrheit der Letterjazz-Kunden unsere Passion für matte, nicht-geglättete Feinstpapiere, die sich in handwerklichem Letterpress-Maßstab mit unzeitgemäßer Maschinentechnik in herzerwärmende Drucksachen verwandeln lassen. Jedoch: Trotz der Material-Rauheit von schönem, authentischen Papier ohne Tech-Beschichtung kann man Spiegelglanz und Modernität durchaus als wirkungsvolle Stilmittel aktivieren – das richtige Rezept vorausgesetzt, um nicht zu sagen: Kontraste.

In der Gestaltung gehört Kontrast zum kleinen Einmaleins der Stilmittel, jedoch geht das bei Printmedien selten über das Grafische hinaus. Doch gerade das Spiel mit Material und Techniken macht manches Produkt erst richtig lebendig. Beispiele:

Recycling-Pappe mit schwarzem Letterpress-Druck – kombiniert mit einer Folienprägung in gebürstetem Metall-Look (Kunde: Modern Life School)

Materialkontrast pur: Hier haben wir Letterpress-Gold auf schwarzem Naturkarton mit einem Vierfarbdruck auf einem hauchdünnen, selbsklebenden, silbernen Material kombiniert (leicht vertieft dank Tellerprägung). (Kunde: helbig Dialogdesign)

Bei diesem Geschäftsbericht (Konzept und Design: heureka!) sitzt ein bedrucktes Blech in einem Ausschnitt der Titelseite; wir durften ein Letterpress-Etikett mit Handnummerierung zum Kontrastprogramm beisteuern, ebenso (nächstes Bild) eine Hülle aus Papier im Graupapp-Look in Nachbarschaft zu den Offset-Inhaltsseiten auf gestrichenem Papier.

Schichtdienst: Prägedruck plus Kaschierung

Ach wie herrlich ist doch schönes Papier! Empfindet man Sympathie für diesen mit Nichts vergleichbaren Werkstoff, dann wird die Arbeit mit hochkarätigen Feinstpapieren zu einer Art Wellness-Anwendung. In der Letterjazz-Werkstatt haben wir das Glück nahezu ausschließlich mit solchen Kostbarkeiten umgehen zu dürfen, trotz teils galaktischer Einkaufspreise.

Die einzige noch mögliche Luststeigerung geschieht dann, wenn sich zwei Letterpress-gedruckte Papierschönheiten zusammentun und dabei eins werden. Mit buchbinderischen Gerätschaften, speziellem Leim, fleißigen Händen und allerhand Erfahrung kaschieren wir mal zwei, mal drei unterschiedliche Feinkartonqualitäten zu einem individuellen „Duplex-“ oder „Triplex“-Produkt.

Oft ist es auch ratsam, zwei gleiche Papierqualitäten für immer miteinander zu vereinen: Nicht selten wünschen sich nämlich unsere Auftraggeber beidseitig mit Prägedruck ausgestattete Karten – da ist eine Kaschierung aus zwei separat bedruckten Bögen stets die beste Herangehensweise. Die Arbeit lohnt sich, denn es ist das gute Ergebnis, das einen sichtbaren und fühlbaren Gegenwert liefert.

Die Werbekärtchen für die Duplex-Freuden gingen besser als manche Semmeln weg – wir erwägen unveränderten Nachdruck.


Eine solide Mittelschicht ist nicht nur für Sozialwissenschaftler von Bedeutung – ein schöner Aha-Effekt für den zweiten Blick.



Die Verbindung von grüngelbem und grauem Gmund-Karton langte dem Kunden noch nicht, darum kam noch eine Konturstanzung als weitere Veredelung hinzu.


Der Mann, der ganze Telefonbücher zerreißen konnte, dürfte sich mit diesen Einladungskarten schwer tun: Drei mal 700 = 2100 g/qm


Nicht mit Zurückhaltung, aber mit Präzision wurde der schwarze Kreis ins Papier gerammt – wer jetzt die Rückseite des Bogens ebenfalls mit Letterpress bedrucken möchte, ist mit einer Kaschierung (zweiter Druckbogen wird passgenau gegengeklebt) gut beraten.


Bei der feinen Karte von heureka durften wir Siebdruck auf braunem Karton mit Letterpress auf dem hochweißen Arches Expression Velours verbinden und eine Außenkontur mit kleinem Eckenradius stanzen.

Letterpress-Pop-Up

Gilt es, Einladungskarten für ganz besondere Anlässe zu versenden, ist Letterpress das Druckverfahren. Der New Yorker Imaginationskünstler Marco Tempest gab auf der Technologie-Konferenz TED seine Neueste Hightech-Zaubershow zum Besten, in der sich alles um die Physiker-Legende Nicola Tesla dreht. Natürlich kann man Gäste, die 7500 Dollar für die TED-Mitgliedschaft investieren, nicht mit einem vierfarbigen 135 g/qm-Flyer informieren. Marco fand im Netz den deutschen Pop-Up-Experten Peter Dahmen, der neben der Entwicklung der Karte auch noch in wesentliche Bestandteile der Show involviert war. Peter entschied sich für Letterjazz als Partner und so druckten, stanzten, klebten und falzten zahlreiche fleißige Hände in der Essener Werkstatt ein paar tausend Karten, die dann Flugs per FedEx zum Broadway gelangten.

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Kurzmitteilungen aus der Box

Wenn die Koordinaten des Empfängers bekannt sind, werden kleine Botschaften üblicherweise von eifrig kreisenden Daumen in die zivilisationsüblichen Devices eingegeben. Möchte man jedoch lieber etwas Gegenständliches hinterlassen, führt kaum ein Weg am Medium Papier vorbei – und das wiederum geht durchaus ohne Zettelchen und die eigene verwahrloste Handschrift. Kleine feine Kärtchen mit markanten Botschaften sagen es ganz nebenbei: der Absender ist einer von der stilsicheren Sorte.

Für Römerturm durften wir diese feine Stülpbox mit 66 Letterpress-Karten, Innenleben und Etikett von der Idee bis zum fertigen Produkt realisieren. Die Mitteilungskärtchen wurden aus einem hier bereits beschriebenen 715 g/qm-Karton gefertigt und das lochperforierte Etikett aus dem feinen Colambo-Haftpapier.


Die Abwesenheit des Adressaten ist bei der Anwendung bestimmter Mitteilungskarten zu bevorzugen.

Quader statt Blätter

Darf es etwas mehr als 300 g/qm sein? Gern und oft mache ich darauf aufmerksam, dass sich die heutigen High-Tech-Druckverfahren sehr schwer tun, wenn man in puncto Papier etwas solides in der Hand haben möchte.

Willkommen in unserem Druck-Atelier: ab 400 Gramm fängt der wahre Spaß erst an. Prägedruck bzw. Letterpress macht’s möglich. Einer unserer Tiegeldruckpressen ist ein Vielfraß vor dem Herrn; konstruktionsbedingt verschmäht er selbst eine 2,5 Millimeter dicke Pappe nicht, was eine unverschämte Freiheit in der Materialwahl möglich macht.

Für Römerturm Feinstpapier durften wir den 715 g/qm schweren Grafik-Umschlagkarton „PURE COLOUR 715“ mit seinen 15 verschiedenen Färbungen in die Maschine nehmen – ein bemerkenswerter Karton mit echten Alleinstellungsmerkmalen.

Römerturm Pure Colour 715
Römerturm Pure Colour 715
Römerturm Pure Colour 715
Neben der unproblematischen Bedruckung an sich war natürlich das geprägte Erscheinungsbild ein weiteres Plus der Umsetzung per Letterpress.

Mit der gleichen Maschine bedrucken wir darüber hinaus sogar feste Buchdecken, die bereits mit Einbandgewebe bezogen sind. Gegenüber der hier sonst üblichen Heißfolienprägung lassen sich auch kleine Details in bestechender Qualität reproduzieren. Dazu demnächst mehr in diesem Blog.

Grell und fein sollen sie sein

Die Tagesleuchtfarbe Pantone 805 ist nicht gerade ein leise vorgetragenes Plädoyer für die Vermeidung von Aufmerksamkeit, dennoch gelingt den Hamburger Maklern von Do & Able damit ein sehr feiner Stil. Bei dem seltenen Spagat zwischen Understatement und visueller Lautstärke halfen einerseits das kühle weiß des Gmund-Papiers (Color System Nr. 50, 400 g/qm), sowie versale Klassizismus-Zeilen, welche ohne Farbe – man sagt auch blind – gedruckt wurden. Auf der Rückseite der Geschäftskarten beweist ein ebenso blind gedrucktes, geometrisches Muster einmal mehr die Eleganz von Letterpress-Geschäftspapieren.