Letterpress vs. Offsetdruck

Äpfel und Birnen: Letterpress vs. Offsetdruck

Unterschiede gibt es viele. Techniker würden bei diesem Vergleich darauf aufmerksam machen, dass Letterpress (Buchdruck) im Gegensatz zum Offsetverfahren ein direktes Druckverfahren ist, was bedeutet, dass die eingefärbte Druckform direkt mit dem Bedruckstoff in Kontakt kommt. Typische Druckmaschinen beider Verfahren weisen durchaus diverse Gemeinsamkeiten auf, aber auch einige grundlegende Unterschiede; insbesondere bei einer laufenden Tiegelpresse ist es leicht zu beobachten, warum der Begriff drucken etymologisch von drücken kommt.

Ein Layout aus dem später Offset-Druckplatten belichtet werden ist in puncto drucktechnischer Machbarkeit kaum in seiner Freiheit eingeschränkt. Auf der gesamten Fläche des jeweiligen Maschinenformats kann man sich nach Belieben austoben. Hier ist Letterpress deutlich anspruchsvoller und eingeschränkter.

Letterpress und Offsetdruck sind sehr ungleiche Rennautos:

Offsetdruck

Performance: feine Raster, 4-Farbprozess, riesige Farbflächen, kleinste Details – für den Offsetdrucker kein Problem

Gernegroß: Das Format IIIb steht für 70 × 100 cm und ist allgegenwärtig. Selbst ein formatfüllendes Druckbild ist nichts ungewöhnliches, sondern eher Regel als Ausnahme.

dicke Schinken
: Nicht bedruckbar. Karton ist oberhalb von 350g/qm nur auf speziellen Maschinen bedruckbar (größere Zylinder), jedoch sind dort auch die Grenzen schnell erreicht. Für dicke Schinken im Sinne von mehrseitigen Publikationen ist Offset natürlich die Technik. Nur der Tiefdruck kann hier noch mehr (Ikea-Katalog & Co.).

Pit-stop: Druckplatten sind im Nu hergestellt und verursachen (heute) vergleichsweise geringe Materialkosten;

Speedmeister: 15.000 Bogen pro Stunde sind locker drin, der Offsetdrucker ist quasi permanent auf Speed.

Verbrauch: besonders bei kleinen Auflagen fällt auf, dass der Offsetdrucker viel Papier beim Einrichten verdruckt und mit nur ein paar Gramm Druckfarbe nicht genug zum Starten hat.

Rundenkönig: Zehntausend vierfarbige A1-Plakate mit formatfüllender Gestaltung sind rasch gedruckt und für niemanden etwas ungewöhnliches

Letterpress

Performance: Eingeschränkt. Feine Linien und kleine Lettern sind gut machbar und freuen das Auge. Große Flächen dagegen machen keinen Hehl aus der unruhigen Papierstruktur und dem eingeschränkten Farbauftragsvermögen der Maschine. Das wolkige Druckbild bei Flächen kann durchaus seinen Charme entfalten – eine Stilfrage. Raster und Vierfarbprozess wären zwar möglich, sind aber praktisch Zeitverschwendung, da aufwändig und ohne besonders reizvolle Wirkung. Da CMYK bei Letterpress also kein Thema ist, erfreut sich der Gestalter an Pantone-Farben; diese kann er beim Überdrucken-Spiel durch ihre lasierende Eigenschaft wie beim Offsetdruck auch zu bezaubernden optischen Farbmischungen kombinieren.

Gernegroß: Eher Gerneklein. Wer 70 × 100 für gewöhnlich hält, der hält auch Kleinwagen mit 100 PS für gewöhnlich. Ein alter Käfer hat aber nur 34 PS und damit muss man klarkommen. Der verbreitete Heidelberger Tiegel kann mit Papier von höchstens 26 × 38 cm gefüttert werden (was nicht heißt dass man diese Fläche auch voll ausnutzen kann). Der in der Letterpress-Welt eher rare Heidelberger Zylinder bietet in seiner großen Ausführung etwas über 50 × 70 cm und ist damit schon der Big Boy. Zwar gab es noch größere Schnellpressen, jedoch ist ein Letterpress-typisches Arbeiten aufgrund der großen Druckform, die es braucht, mehr Theorie als Praxis. Im großen Format sind Abziehpressen mit bis zu 50 × 70 cm gebräuchlich; für ein DIN-A2-Plakat mit zwei Farben muss man jedoch für derart große Druckformen viel Geld in die Hand nehmen, sofern man nicht von Bleisatz, Plakatbuchstaben oder Linol-/Holzschnitten druckt.

dicke Schinken: Immer her damit, sofern nicht die großformatige Zylindermaschine damit gefüttert werden soll. Der Tiegel bedruckt ohne mit der Wimper zu zucken 600g-Pappe. Ein Handanlage-Zugstangentiegel ist ein Vielfraß vor dem Herrn und verschmäht nicht mal ein 2-mm-Brett. Dieser besondere Letterpress-Vorzug bietet eine unerhörte Gestaltungsfreiheit mit Bedruckstoffen.

Pit-stop: Druckplatten heißen Klischees und sind ein deutlich spürbarer Kostenfaktor bei Letterpress-Projekten. Es gibt geätzte (Zink-, Magnesium-) oder gefräste (Messing-) Klischees und die bei Letterpress-Druckern beliebten photopolymeren Platten, hierzulande unter dem Markennamen Nyloprint bekannt. Für ihre Herstellung wird zunächst ein Film belichtet und dann der photopolymere »Rohling« mittels UV-Kontaktbelichtung, Auswaschen, Trocknen und Nachbelichten in ein Klischee verwandelt, bei dem die druckenden Stellen erhaben sind.

Speedmeister: nach früheren Maßstäben ja, aus heutiger Sicht eher nicht. Nach Gutenbergs zum Drucktiegel frisierter Weinpresse kamen noch einige Erfindungen, die den Buchdruck auf Trab brachten (König & Bauers frühe Schnellpressen kann man beispielsweise im Mainzer Gutenbergmuseum bestaunen). 3.000 Bogen pro Stunde gelten schon als schnell. Der Prozess an sich wird zudem durch das Herstellen der Druckplatten und das zeitraubende Einrichten des Jobs entschleunigt. Mehrfarbige Arbeiten vervielfachen die Arbeitszeit, da nicht (wie in der heutigen Druckindustrie) mit mehreren Druckwerken inline produziert werden kann, sondern stets die erste Farbe gedruckt wird und nach dem letzten Exemplar ein zeitaufwändiger Farbwechsel stattfindet um anschließend die zweite Farbe zu drucken. Effizienzsteigerungs-Bestrebungen durch Mehrfachnutzendruck können bei manchen Projekten problematisch sein und zur Milchmädchenrechnung werden. Letterpress entfaltet seine Schönheit nicht auf dem Sparbuch und auch nicht auf dem Zeitkonto.

Verbrauch: ein dicker Pluspunkt für Letterpress. Bei den meistens kleinen Auflagen reicht ein Häufchen Druckfarbe auf dem Spachtel um den Auftrag fertigzustellen. Das Papier, welches dem Letterpress-Zauber würdig und daher kostbar ist, wird nur in homöopathischen Mengen verbraten, um den Job einzurichten. Alte Hasen prahlen nicht selten damit, dass etwa beim kürzlich gedruckten Auftrag der Stand (Position des Druckbilds auf dem Druckbogen) direkt gepasst habe, so dass kein einziger Bogen Makulatur angefallen war. An schlechten Tagen kann es freilich anders kommen.

Rundenkönig: Letterpress-Tagwerke sind eher ein paar Kartons statt einer Euro-Palette. Große Auflagen sind machbar, brauchen aber mehr Zeit.