Was treiben Sie da eigentlich?

Auf diese Frage hätte ich gern eine griffige Antwort parat. Der westfälischen Sprechfaulheit wegen: Am besten ein einzelnes Wort, Nomen, Terminus.

Also: Grafiker, Mac, Klischee, Druckfarbe, alte Buchdruckmaschinen, edles Papier – wie nennt man diese Kombination?

Vier Begriffe auf dem Prüfstand:
1. Buchdruck: Ein gutes Wort – eigentlich. Bitte nicht mit dem Drucken von Büchern verwechseln, auch wenn Buchdruck-Erfinder Gutenberg ebensolche hergestellt hat. Seine technische Schöpfungsleistung lag aber vor allem in der Satztechnik mittels Bleilettern und deren Anfertigung. Hier in der Gegenwart, im Hof links, bei Letterjazz arbeiten wir mit Buchdruckmaschinen und können unser Tun daher eigentlich als Buchdruck bezeichnen. Jedoch würde ein alter Buchdrucker die Nase rümpfen oder gar den Kraftstrom-Stecker aus der Dose rupfen, wenn er sähe mit wie viel Schmackes wir Rüpel den Prägelook in das weiche Papier rammen. Hintergrund: Früher war das Letternmaterial aus Blei meist das Kapital eines Betriebs und wurde sinnvollerweise entsprechend geschont. Traditionalisten arbeiten also anders – ihr Papier küsst den eingefärbten Satz nur, mehr nicht. Darum ist Buchdruck vielleicht ein guter, für mich aber nicht ganz perfekt sitzender Begriff.

2. Hochdruck: Nicht falsch, aber unpräzise. Ein Oberbegriff. Wird bei Wikipedia leider mit dem Buchdruck gleichgesetzt, was korrekturbedürftig wäre. Wenn von einer Druckform mit erhabenen, druckenden Bereichen die Rede ist, welche direkt mit dem Bedruckstoff in Kontakt kommen, spricht man von Hochdruck. Es gibt unterschiedliche Hochdruckverfahren, die heute industriell genutzt werden, um z. B. Kunststoffverpackungen zu bedrucken (Flexodruck).

3. Letterpress: Die englische Entsprechung von Buchdruck. Das Wort schätze ich sehr, auch weil es nach meiner Beobachtung im „deutschen Ohr“ häufig zur richtigen Assoziation führt. Die Neubelebung des Buchdrucks kann man seit einigen Jahren vor allem in den USA beobachten. Letterpress wird gegenwärtig meist mit der nicht-traditionellen Arbeitsweise (Rechner-Klischee-Druckpresse) in Verbindung gebracht.

4. Prägedruck: Keine schlechte Wortwahl für meinen Zweck. Vielleicht so gar die beste. Wer im graphischen Gewerbe mitwirkt, der kennt Prägedruck auch als Bezeichnung für Heißfolienprägung (auch Prägefoliendruck) oder als Bezeichnung für den recht seltenen Stahlstichdruck. Zaudern lässt mich nur eine einzige Nebenwirkung, wenn man von Prägedruck spricht: Verwechslung mit einer Prägung. Denn eine Prägung im klassischen Sinne (Blindprägung) funktionert etwas anders als Buchdruck/Letterpress, da dafür auch eine Gegenform (Patrize genannt) zum Einsatz kommt.

Okay. Und wie nennen wir jetzt den Prägedruck, der keine Prägung ist, den bleifreien Buchdruck, den frisch gepressten Letterpress? Ich erlaube mir bei der Frage lieber noch ein wenig Aufschieberei. Allein wegen der sprachlichen Unwägbarkeiten das Land zu verlassen ist keine Option – die Massenträgheit der Gerätschaften hat das ohnehin schon ausgeschlossen.

Ein Ausflug nach Belgien

Wie andere Obsessionen auch, verändert Buchdruck bzw. Letterpress nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch das Freizeitverhalten; selbst am schönsten niederländischen Nordseestrand flackert das Radar auf. Wo ist der nächstgelegene blinkende Punkt? Antwerpen, Belgien.

Also auf in die Stadt, in der bereits vor 1600 buchdrucktechnisch so einiges los war. Meine dringende Ausflugsempfehlung lautet: Museum Plantin Moretus, Vrijdagmarkt 22–23, Antwerpen. Hier durchschreitet man beeindruckend gut erhaltene, luxuriöse Räumlichkeiten, die den Erfolg des Druckers Christoffel Plantin und seiner Nachfolger dokumentieren. Herzstück des Museums, das bereits seit 1877 existiert, ist der Drucksaal samt Setzerei, wo Plantin zum ersten Mal in der Geschichte mittels sieben Druckpressen eine »industrielle« Buchproduktion auf die Beine gestellt hat.

Die meisten Besucher dürften besonders von den reichen Bibliotheken des Hauses beeindruckt sein; als Typografiemensch bleibt man spätestens an den letzten vorhandenen Original-Stahlstempeln von Claude Garamond (Paris) hängen. Der Qualitätsfanatiker Plantin wollte nicht von Gießereien abhängig sein und häufte die größte Sammlung an Stempeln und Matrizen an, die ein einzelner Typograf je besaß. Er beherbergte also nicht nur Satz und Druck, es wurden auch Stempel geschnitten, Matrizen angefertigt und Lettern gegossen. Im Vorraum der Setzerei finden sich etliche, noch verpackte Letterngarnituren.

Ebenso ist die im 17. Jahrhundert eingerichtete Buchhandlung noch top erhalten. Wer hier damals ein Buch erwarb, musste mit den losen Lagen ‘in albis’ unterm Arm noch separat einen Buchbinder aufsuchen, um den Vorzug eines Einbands genießen zu können.

Der grüne Innenhof des eindrucksvollen Patrizierhauses gebietet leider nicht über den Ausschank prozentreichen belgischen Bieres. Das gute Informationssystem samt ausgezeichnetem Print-Museumsführer und die besondere Atmosphäre bei Plantin Moretus liefern aber dennoch die angestrebte Zufriedenheit. Prädikat: inspirierend.