Letterpress ist Umweltfreund’s Liebling

Ressourcen schonen und umweltbewusst handeln ist allgemein en vogue, mindestens bekennt man sich gerne verbal dazu. Auch vertrieblich-aktive Reisende des Papiergewerbes sparen seit einigen Jahren nicht mit Hinweisen auf Umweltzertifizierungen – wohl dem, der dabei ganz ohne Augenrollen über die Runden kommt.

Dankbar dafür, dass wir trotz kauziger Kommentare weiterhin vom Papier-Außendienst besucht werden, verkneife ich mir immer seltener diverse Plädoyers für den wohldosierten, qualitätsorientierten Einsatz von Papier, allerdings scheint sich das ohnehin ganz von allein so zu ergeben: Trendforscher Peter Wippermann äußert im Newsletter des Kölner V8-Verlags: „Das gewöhnliche Papier wird an Wert verlieren, während es am Luxusmarkt an Wert gewinnt. Der Markt verschiebt sich.“

Wer sich für eine sehr hochwertige Drucksache entscheidet, der überlegt sich genau, wie viel er bestellt und was er kommunizieren möchte. Die Qualitätstechnik Letterpress „erzieht“ also zu Ressourcen schonender Effizienz. Ihr Output sind schöne Dinge, die man nicht wegwirft. Denkfaul im Internet eine Millionen vierfarbige Flyer für Neunundzwanzig-Neunzig zu ordern und „breit zu streuen“ wäre das Gegenmodell.

Aber nicht nur das sehr bewusst dosierte drucken lassen ist per se umweltfreundlich, sondern erstaunlicherweise auch Letterpress an sich – und das als Oldtimer unter den Druckverfahren. Beispiel Druckfarbe: Für, sagen wir 1.000 Visitenkarten, mische ich 50 Gramm einer bestimmten Pantone-Farbe an, womit man viel mehr als genug zum Arbeiten hat. Wer weiß, ob exakt diese Farbe in den nächsten Jahren wieder gebraucht wird? In der Druckindustrie würde man eine satte Kilodose bestellen, um dann ordentlich Farbe in den Farbkasten zu spachteln. Erst dann läuft die Offsetmaschine brav und den Rest kann man ja einlagern …

Kleine, feine Letterpress-Printprojekte: PMS-Farben geraten nicht kiloweise im Lager in Vergessenheit, sondern werden gezielt angemischt.

Ein paar Hundert zauberhafte Briefhüllen (in diesem Fall übrigens besonders umweltschonend hergestellt) sind per Letterpress mit weniger als 50 Gramm Druckfarbe machbar.

Kaum Ausschuss: Während beim industriellen Drucken viel mehr Material durch den Prozess gejagt wird, um das erste gute Exemplar zu erhalten, sind Stand und Farbe bei Letterpress-Projekten mit wenig Makulatur-Müll eingestellt.

Darum ergänze ich die Phrase „Wir drucken umweltfreundlich“ mit: „dank Technik von vorgestern“.

Letterpress und die Viertelpunkt-Freuden

Manche Paare passen besser zusammen als man ohne besseres Wissen zunächst vermutet: Letterpress und feine Linien zum Beispiel. Hat man in puncto Einfärbung diverse Parameter im Griff, dann gelingen erstaunlich feine Druckbilder.

Wären da bloß die großen Flächen in manchen Entwürfen nicht: Vereint der Gestalter feinste Linien und üppig dimensionierte Flächenelemente in einer einzigen Druckform/Farbe, so muss man sich entscheiden: überfärbte Linien und passable Flächen oder pico-bello-Linien und unvollkommene Flächen. Ein guter Lösungsweg für solche Fälle wäre zwei Durchgänge mit separaten Formen zu drucken, was in Zeiten scheuen Geldes nicht immer die liebste Option eines jeden Auftraggebers ist.

Mit feinen Strukturen lassen sich entzückende „Landschaften“ ins Papier formen – wer braucht da noch Flächen?

Letterpress-Kärtchen mit feinen LinienLight- oder gar „Thin-“ Schriftschnitte sind stets dankbare Letterpress-Stilmittel

Letterpress-Kärtchen mit feinen Linien
Illustrative Elemente – Linienstärke 0,1 Millimeter (Kunde: ruhrprojekt planen + einrichten)

Letterpress-Urkunde mit Guilloche-Muster
Ultra-fein, nicht nur bei Wertpapieren: Guilloche-Muster (Kunde: Hohenrodt-Curling)

oh happy day

Ein freier Donnerstag ist eine erfreuliche Perspektive: Spaghetti-Eis*, Hängematte … und dann noch die Werkstatt aufräumen.

*Es gibt doch tatsächlich einen Wikipedia-Eintrag über Spaghettieis, der mit den Worten endet: „Da Fontanella die Patentgebühr von damals 900 DM nicht bezahlen wollte, wurde seine Kreation nicht geschützt.“

Ein Ausflug nach Belgien

Wie andere Obsessionen auch, verändert Buchdruck bzw. Letterpress nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch das Freizeitverhalten; selbst am schönsten niederländischen Nordseestrand flackert das Radar auf. Wo ist der nächstgelegene blinkende Punkt? Antwerpen, Belgien.

Also auf in die Stadt, in der bereits vor 1600 buchdrucktechnisch so einiges los war. Meine dringende Ausflugsempfehlung lautet: Museum Plantin Moretus, Vrijdagmarkt 22–23, Antwerpen. Hier durchschreitet man beeindruckend gut erhaltene, luxuriöse Räumlichkeiten, die den Erfolg des Druckers Christoffel Plantin und seiner Nachfolger dokumentieren. Herzstück des Museums, das bereits seit 1877 existiert, ist der Drucksaal samt Setzerei, wo Plantin zum ersten Mal in der Geschichte mittels sieben Druckpressen eine »industrielle« Buchproduktion auf die Beine gestellt hat.

Die meisten Besucher dürften besonders von den reichen Bibliotheken des Hauses beeindruckt sein; als Typografiemensch bleibt man spätestens an den letzten vorhandenen Original-Stahlstempeln von Claude Garamond (Paris) hängen. Der Qualitätsfanatiker Plantin wollte nicht von Gießereien abhängig sein und häufte die größte Sammlung an Stempeln und Matrizen an, die ein einzelner Typograf je besaß. Er beherbergte also nicht nur Satz und Druck, es wurden auch Stempel geschnitten, Matrizen angefertigt und Lettern gegossen. Im Vorraum der Setzerei finden sich etliche, noch verpackte Letterngarnituren.

Ebenso ist die im 17. Jahrhundert eingerichtete Buchhandlung noch top erhalten. Wer hier damals ein Buch erwarb, musste mit den losen Lagen ‘in albis’ unterm Arm noch separat einen Buchbinder aufsuchen, um den Vorzug eines Einbands genießen zu können.

Der grüne Innenhof des eindrucksvollen Patrizierhauses gebietet leider nicht über den Ausschank prozentreichen belgischen Bieres. Das gute Informationssystem samt ausgezeichnetem Print-Museumsführer und die besondere Atmosphäre bei Plantin Moretus liefern aber dennoch die angestrebte Zufriedenheit. Prädikat: inspirierend.

Letterpress-Geschäftskarten für Maniacs

Immer wieder staune ich, welchen hohen Stellenwert die gute alte Visitenkarte selbst bei IT- und Web-Profis hat. Letterpress ist dabei die First Class, aber manche Reisende wünschen sich in der ersten Klasse zusätzlich noch den Reiz der außergewöhnlichen Individualisierung. Der Dresdner Softwareunternehmer Florian Braunschweig konfrontierte Letterjazz mit einer reizvollen Anfrage, über deren Realisierung ich einen Moment lang nachdenken musste, bis die richtige Umsetzungsstrategie klar war. Aber der Aufwand lohnte sich, denn das Design von Peter Hofacker machte wirklich Lust auf das Projekt.

Zunächst wurden die farbig-flächigen Design-Elemente beim Offset-Partnerbetrieb auf Baumwollkarton gedruckt; schön smooth sollte das Erscheinungsbild sein.

Offsetdruck
Mit der vierten Farbe – für die Typografie unten – kam dann Letterpress ins Spiel.Letterpress-Visitenkarte maniaclabs by LetterjazzAnschließend wurden die Offset-gedruckten Elemente passgenau blind überdruckt und in der gleichen Form noch eine Fläche als zusätzliches 3-D-Designelement eingeprägt …Letterpress-Visitenkarte maniaclabs by LetterjazzEin separater Bogen (roter Feinstkarton) erhielt noch die Bildmarke per Letterpress in reinem Pantone Transparent White – die Papierfarbe wird so dezent abgetönt.Duplexkarton: ja – aber bitte nicht von der Stange; nach dem Drucken kaschieren fleißige Hände beide Teile passgenau zusammen (Bild: Beleimen des Bogens). Papierfarbe und rote Druckfarbe (Frontseite) wurden natürlich aufeinander abgestimmt.Letterjazz – Bogen beleimen und kaschieren Im Ergebnis erhält man Prachtstücke mit 600 g/qm Flächengewicht.maniaclabs VisitenkartenDer Gesprächspartner, der am Ende so ein Exemplar bekommt, dürfte sich geehrt fühlen.Letterpress-Visitenkarte maniaclabs by Letterjazz

Letterpress trifft Lettering

Nachdem ich via myfonts eine Schrift des Labels LiebeFonts gekauft habe, kam es nach einer anerkennenden Mail an die Berliner Designerin und Illustratorin Ulrike Wilhelm zu einem erfreulichen Austausch mit dem Ergebnis, dass man doch die Lettering-Künste mit den Letterpress-Freuden kombinieren müsse.

Lettering bedeutet Schrift von Hand zu zeichnen, nicht zu verwechseln mit kalligraphischem Schreiben, auch wenn es Berührungspunkte zwischen Lettering und Kalligraphie geben mag. Der Begriff kommt eigentlich aus der Beschriftung von Comics, steht aber heute für meist aufwändige Typo-Illustrationen, die häufig zum Beispiel in der Magazin- und Plakatgestaltung oder für Musik-Artworks eingesetzt werden.

Ulrike Wilhelm hat die Letterjazz-Wedding-Collection um zwei illustre Designs bereichert und sich selbst inzwischen eigene Letterpress-Kärtchen gegönnt.

Nach der Arbeit auf Papier …
folgt die Digitalisierung und Reinzeichnung …

um anschließend via Filmbelichtung, Herstellung eines photopolymeren Klischees und Druck (Letterpress) wieder zu Papier gebracht zu werden:

Klein, aber Day-Glo

Letterpress-Visitenkarten machen Spaß. Besonders, wenn Sie klein und frech sind und auf das übliche Diplom, Telefon, Fax et cetera verzichten. Webentwickler Andreas Dölling war einverstanden, dass wir etwas Quellcode in seine Geschäftskärtchen einfügen; auf Druckfarbe wurde dabei gänzlich verzichtet. Der „Content“ dagegen tut es Rettungswagen gleich und buhlt farblich um Aufmerksamkeit, was sich fotografisch jedoch hier kaum darstellen lässt.

Die Pantone-Day-Glo-Druckfarbe ist Schuld daran. Dose aufhebeln, Farbe einlaufen lassen, drucken und staunen. Auch andere Leucht-Farbtöne stehen zur Verfügung, man findet sie ganz hinten im Farbfächer.

Selbst Tests auf meinem braunen 1-mm-Lieblingskarton ließ die eigentlich lasierende Farbe nicht optisch absuppen. Auf die Day-Glo-Erleuchtung weiterer Projekte freue ich mich schon …

Flammneue Reifen

Wer Benzin im Blut hat, hüpft sich angesichts neuer Reifen vor Freude Beulen an den Kopf. Ist man von Beruf Drucker, kennt man ähnliches Glück beim Auspacken frisch bezogener Farbauftragswalzen. Was die Investition angeht, stehen die Walzen den Pneus in nichts nach, zumal die große Korrex „Berlin“ (im Bild) nicht gerade mit Miniaturwalzen bestückt ist.

Das Beziehen übernehmen Dienstleister, die zunächst das alte (meist rissige und hart gewordene) Gummi bis auf die Spindel abdrehen, dann neu gießen und wieder bis auf das bestellte Maß abdrehen. Da sich die meisten dieser Spezialisten eher nur mit Offsetdruck-Maschinen auskennen, muss man die für Buchdruckmaschinen/Letterpress optimale Härte (Shore-Wert) angeben.

Jetzt wird justiert, damit die 1962er Korrex die Druckform wieder pico bello und präzise einfärbt. Gut, dass der Sonntag im Ruhrgebiet verregnet ist …

Farbauftragswalzen Korrex »Berlin«